Der Kampf gegen Viren und deren Mutationen - Impfstoffentwicklung jenseits von SARS-CoV-2

#1 von Excubitor , 02.01.2021 22:17

FOCUS ONLINE Gesundheit - "Erfolgreiche Phase-I-Studie -Forschern gelingt Durchbruch: Kommt bald ein Universalimpfstoff gegen die Grippe?"

"Samstag, 02.01.2021, 18:44

Neben Covid-19 ist die Grippe (Influenza) die häufigste und gefährlichste von Viren verursachte Atemwegserkrankung. Zwar gibt es gegen die Erreger schon länger eine Impfung, doch sie kann Menschen nicht dauerhaft vor einer Infektion schützen. Das könnte sich bald ändern.

Der Grund dafür, dass die Grippeimpfung jedes Jahr neu angepasst werden muss, ist die hohe Wandelbarkeit der Influenza-Viren, von denen es drei Typen gibt (A, B und C). Sie verändern ständig die für ihre Erkennung durch das Immunsystem wichtigen Proteine.

Dies geschieht zum einen durch natürliche Mutationen, also Veränderungen im Erbgut der Erreger. Zudem können zwei Influenza-Viren, die dieselbe Zelle befallen, Teile ihres Erbgutes austauschen und sich so zu einem neuen Virus kombinieren, das dann der Immunabwehr entgeht. Schließlich springen Influenzaviren gelegentlich auch von Tieren (etwa von Vögeln oder Schweinen) auf den Menschen über, sodass völlig neue Virustypen entstehen.


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versucht, diesen auf den Fersen zu bleiben und gibt regelmäßig Empfehlungen für neue Impfstoffe heraus, die gegen die jeweils grassierenden Virustypen wirken. Bereits im darauf folgenden Jahr können die Erreger jedoch ganz andere Eigenschaften haben. Deshalb ist alljährlich eine Auffrischung der Impfung vonnöten.


Virologen suchen schon lange nach einem „Universalimpfstoff“

[...]

Jetzt gelang US-Forschern ein großer Schritt nach vorn. Sie entwickelten ein neues Konzept für einen solchen Universalimpfstoff. Wie die Gruppe im Fachjournal "Nature Medicine" berichtet, bestand er im Rahmen einer kleinen Studie jetzt einen ersten Test. Am häufigsten und am gefährlichsten ist das Influenza-Virus Typ A. Unser Immunsystem erkennt es anhand von zwei Biomolekülen namens Neuraminidase (abgekürzt: N) und Hämagglutinin (H), die auf der Oberfläche des Virus sitzen.

Warum sich kein Immungedächtnis bilden kann

Die heute vorhandenen Impfstoffe enthalten abgeschwächte oder inaktivierte Influenza-Viren, die entsprechend eine Reihe von Hämagglutininen tragen. Sie ragen aus der Virushülle heraus und bestehen aus zwei Untereinheiten, dem oberen „Kopf“ , der auf einem „Stiel“ sitzt. Ziel ist, im Immunsystem eine gegen den Kopf gerichtete Reaktion auszulösen. Doch ausgerechnet ein kleiner Teil dieser Struktur mutiert besonders häufig. Als Folge kann sich kein Immungedächtnis für den damit verbundenen Virenstamm ausbilden, sodass für folgende Grippesaison ein neuer, angepasster Impfstoff erforderlich ist.

Der darunter liegende Stiel ist weit weniger variabel. Frühere epidemiologische Studien hatten gezeigt, dass Menschen, die nach einer Infektion mit einem bestimmten Virusstamm Antikörper gegen dessen H-Stiel bildeten, gegen zahlreiche andere Stämme immun waren. Entsprechend ist auch der neue experimentelle Universalimpfstoff gegen den Stiel gerichtet.

„Die Studie zeigt erstmals, dass man eine Impfstrategie entwickeln kann, die Stiel-reaktive Antikörper bei Menschen erzeugt“, erklärt der Immunologe und Mitautor Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York im Wissenschaftsjournal „Science“.

Den H-Stiel anzugreifen ist indes schwieriger als es klingt. Denn die lebenslang durch Grippeinfektionen gegen den stabilen Teil des H-Kopf gerichtete Immunantwort ist so stark, dass sie die Produktion von Antikörpern gegen den Stiel regelrecht überrollt. Manche Forscher entwarfen deshalb Impfstoffe, die nur den Stiel enthielten, um eine Immunreaktion dagegen zu provozieren. Doch dieser Teil des H-Moleküls erwies sich als äußerst instabil.

Mit einem Trick könnte das Problem gelöst sein

Krammer und seine Kollegen ersannen nun einen Trick, um das Problem zu lösen: Sie schufen künstliche H-Moleküle mit einem „echten“ Stiel, den sie jedoch mit einem neuartigen Kopf verbanden. Dieser ruft das Immungedächtnis nicht auf den Plan, so dass nur wenige dagegen gerichtete Antikörpern erzeugt werden. Dafür erfolgt eine starke Reaktion auf den Stiel, der durch die Bindung an den Kopf stabilisiert wird.

Für ihre Studie schufen die Autoren einen Impfstoff aus inaktivierten Erregern einer Untergruppe des Influenzavirus Typ A, die die künstliche Kopf-Stiel-Kombination trugen. Er wurde 51 Probanden injiziert, 15 Versuchspersonen erhielten ein Placebo. „Eine einzige Dosis brachte bemerkenswert hohe Konzentrationen von Antistiel-Antikörpern hervor“, resümieren die Forscher.

Allerdings handelt es sich um eine sogenannte Phase-1-Studie, bei der Verträglichkeit und Sicherheit des Impfstoffs sowie seine Fähigkeit untersucht werden, eine Immunreaktion auszulösen. Damit steht noch nicht fest, ob er auch vor einer Infektion mit Influenzaviren schützt. Tierversuche deuteten jedoch darauf hin, dass ein solcher Schutz besteht.

Enormer Gewinn für die globale Gesundheitsversorgung

Laut Krammer wird es mindestens zwei Jahre dauern, auf künstlichen H-Molekülen beruhende Vakzine gegen Influenzaviren der Typen A und B zu entwickeln, die sich zu einem Universalimpfstoff kombinieren lassen. Sie müssten dann in einer groß angelegten Studie zeigen, ob sie den saisonalen Vakzinen überlegen sind. Weitere Impfstoffe, die auf dem gleichen Prinzip beruhen, werden „Science“ zufolge ebenfalls erprobt, es lägen aber noch keine Daten dazu vor.

Würde eine solche Vakzine zur Marktreife gebracht, wäre der Gewinn für die globale Gesundheitsvorsorge enorm. Nach Angaben der WHO fordert die saisonale Grippe weltweit zwischen 290.000 und 650.000 Todesopfer pro Jahr. Aufgrund der hohen Mutationsrate der Erreger ergeben sich alle 10 bis 40 Jahre größere Veränderungen, was auch heute noch zu Pandemien führen kann. Betroffen wären besonders arme Länder, in denen viele Menschen auf engem Raum leben und die medizinische Versorgung schlecht ist.

Der schlimmste derartige Seuchenzug war die „Spanische Grippe“ von 1918, die durch einen ungewöhnlich virulenten Stamm des Influenzavirus verursacht wurde und schätzungsweise 20 bis 50 Millionen Menschen umbrachte. Mit einem Universalimpfstoff wäre die Gefahr solcher Pandemien endgültig gebannt."

Sehen sie dazu den vollständigen Artikel unter der Quelle:
https://www.focus.de/gesundheit/erfolgre...d_12774521.html


Kommentar

Das wäre tatsächlich ein großer wissenschaftlicher Durchbruch, ließen sich die bisherigen Ergebnisse in den weiteren Stuidienabschnitten verfestigen.


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Erste mRNA-Grippeimpfung geht in klinische Studien

#2 von Excubitor , 13.10.2021 20:09

Nature Reviews Drug Discovery - "NEWS - 11 October 2021 - Clarification 12 October 2021 - mRNA flu shots move into trials"
Nature Reviews Drug Discovery - "NACHRICHTEN - 11. Oktober 2021 - Klarstellung 12. Oktober 2021- mRNA-Grippeimpfung geht in Studien"

COVID-19 bot die Gelegenheit zu zeigen, dass mRNA-Impfstoffe wirken können. Jetzt wetteifern Pharmakonzerne um die Anwendung der Technologieplattform für Influenza.

Direkt nach dem erfolgreichen Einsatz von mRNA-Impfstoffen zur Prävention von COVID-19 haben drei führende Arzneimittelhersteller Kandidaten für saisonale Grippeimpfstoffe, die mit der Technologie entwickelt wurden, in frühe klinische Tests überführt. Im nächsten Jahr wollen weitere Unternehmen diesem Beispiel folgen (Tabelle 1).

Diese Kandidaten könnten, wenn sie erfolgreich sind, die Wirksamkeit einer Impfstoffklasse, die oft einen glanzlosen Schutz bietet, dramatisch verstärken. Für die Befürworter von mRNA – angeführt von Moderna, Pfizer und Sanofi, die alle in den letzten Monaten Phase-I-Studien eingeleitet haben – könnten sich neue Grippeimpfungen als lukrativ erweisen oder dazu beitragen, sich auf einem globalen Markt zu behaupten, der bis zum Ende des Jahrzehnts voraussichtlich 10 Milliarden US-Dollar überschreiten wird.

Aber Grippeimpfungen könnten sich auch als schwierigerer Test für mRNA erweisen als COVID-19. Denn anders als bei SARS-CoV-2 – für das es keine etablierten medizinischen Interventionen gab – sind allein in den USA bereits neun Grippeimpfungen von vier verschiedenen Impfstoffherstellern erhältlich.

Diese Impfstoffe sind sicher, aber ihre Wirksamkeit lässt Raum für Verbesserungen. Vorhandene Grippeschutzimpfungen, ob auf inaktivierten Viren oder rekombinanten Proteinen aufgebaut, bieten in der Regel nur 40–60% Schutz vor einer Infektion. Theoretisch könnte mRNA ein besseres Produkt darstellen: Ausgelöste Immunantworten können breiter sein, exprimierte Proteine ​​sollten eine bessere Sequenztreue aufweisen, die Stammselektion könnte genauer sein und die Technologie macht es einfach, eine große Anzahl von Antigenen einzubauen. All diese Eigenschaften könnten zu einem besseren Immunschutz führen.

Aber mRNA ist, zumindest wenn sie in Lipid-Nanopartikeln (LNPs) formuliert ist, anfällig für Verträglichkeitsprobleme. Die autorisierten mRNA-Injektionen von Moderna und Pfizer/BioNTech für COVID-19 verursachen oft wunde Arme, Kopfschmerzen, leichtes Fieber und Müdigkeit. Dieselben Symptome können bei zugelassenen Grippeimpfungen auftreten, sind jedoch in der Regel viel milder.

[...]"

Siehe den Originalartikel dazu unter
https://www.nature.com/articles/d41573-0...e156e9-46462862


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