FOCUS ONLINE Gesundheit - "Frontalangriff auf Kardio-Gefäße - Im Reagenzglas beobachtet: Forscher zeigen, dass Coronavirus Herzmuskelfasern zersägt"
"Donnerstag, 17.09.2020, 19:12
Um herauszufinden, wie Sars-CoV-2 Herz und Gefäße schädigt, infizierten amerikanische Forscher im Labor gezüchtete Zellen mit dem Virus. Was sie sahen, schockierte sie: Der Erreger zerstückelte die Muskulatur des Herzens.
Als Wissenschaftler der Gladstones Institutes – eine in San Francisco ansässige biomedizinische Forschungseinrichtung – in ihre Mikroskope blickten, sahen sie etwas gruseliges. Sie hatten in Reagenzgläsern drei Arten von Herzzellen gemischt, die sie aus menschlichen Stammzellen gezüchtet hatten, und dann das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 hinzugegeben. So wollten sie herausfinden, wie der Erreger den menschlichen Herzmuskel schädigt.
Tatsächlich sind Herzschäden eine der häufigsten Todesursachen bei Patienten, die der von Sars-CoV-2 verursachten Krankheit Covid-19 erlagen. Sie können selbst bei Kranken, die nur milde Symptome aufwiesen, noch Monate nach deren scheinbarer Genesung auftreten.
Wie sich zeigte, befällt das Virus nur einen einzigen Zelltyp, nämlich die Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten). Nur in sie kann es eindringen und sich darin vermehren. Doch wie die Mikroskopbilder enthüllten, hatte Sars-CoV-2 die Muskelfasern darüber hinaus in Tausende ziemlich genau gleichlange Schnipsel zerschnitten. „Schon früh in unseren Experimenten bemerkten wir, dass viele der Kardiomyozyten sehr seltsame Merkmale entwickelten“, sagt der Gladstones-Bioingenieur Todd McDevitt. „Was wir sahen, war total abnormal.“
Virus zerstückelt kleinste funktionelle Einheit der Herzmuskulatur
Genau genommen hatte Sars-CoV-2 die sogenannte Sarkomere zerstückelt. Sie sind in den Kardiomyozyten enthalten und bilden die kleinste funktionelle Einheit der Herzmuskulatur. Aufgebaut aus drei winzigen beweglichen Proteinen, bewirken sie die Kontraktionen jener Fasern, die das Pumporgan schlagen lassen.
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Darüber hinaus ergab sich ein weiterer befremdlicher Befund: In vielen Kardiomyozyten schien im Kern die Erbsubstanz DNS zu fehlen, ohne die diese Zellen nicht normal funktionieren können. „Das ist das zelluläre Äquivalent zum Hirntod“, erklärt Conklin. „Wir fanden diese abnormen Strukturen bei keiner anderen Herzkrankheit, Hinweise darauf gab es weder in der wissenschaftlichen Literatur noch bei Diskussionen mit Kollegen. Deshalb glauben wir, dass sie für Sars-CoV-2 einzigartig und für die anhaltenden Herzschäden verantwortlich sind,die wir bei vielen Covid-19-Patienten sehen.“
Auch am Menschen zeigt sich ähnliches Bild
Nach ihrer Entdeckung fragten sich die Forscher, inwieweit sich das Resultat auf das richtige Leben übertragen lässt, also ob Sars-CoV-2 die Sarkomere auch im Herzgewebe lebender Covid-19-Kranken zerschneidet. Dazu nahmen sie Proben unter die Lupe, die von Autopsien verstorbener Patienten stammten. Tatsächlich bot sich ihnen ein ähnliches, jedoch nicht identisches Bild wie bei den im Labor gezüchteten Zellen: Die Sarkomere waren durcheinander und neu angeordnet. Bruchstücke von jeweils gleicher Länge waren aber kaum vorhanden.
Bemerkenswerter Weise fanden sich solche Schäden auch bei Patienten, bei denen keine mit Covid-19 verbundene Herzkrankheit diagnostiziert worden war. [...]
Weitere Untersuchungen nötig
Um zu sehen, ob die Sarkomer-Schäden dauerhaft sind, bedürfe es weiterer Untersuchungen, betonen die Gladstones-Forscher. Dazu müssen die Proben speziell aufbereitet werden, was nicht routinemäßig geschieht. Dies könne dazugeführt haben, dass die Veränderungen bei den Autopsien nicht aufgespürt wurden. Zugleich könne es helfen zu verstehen, wie genau das Virus die Schäden verursacht.
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Ausführlich dazu siehe:
https://www.focus.de/gesundheit/news/her...d_12434210.html
Die Studie als noch zu evaluierender Preprint, veröffentlicht am 12.09.2020, finden Sie unter:
bioRXiv - "SARS-CoV-2 infection of human iPSC-derived cardiac cells predicts novel cytopathic features in hearts of COVID-19 patients"
bioRXiv - "Die SARS-CoV-2-Infektion von menschlichen iPSC-abgeleiteten Herzzellen sagt neue zytopathische Merkmale im Herzen von COVID-19-Patienten voraus"
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.08.25.265561v2
Kommentar
Es lohnt sich also in jedem Fall weiterhin sehr vorsichtig zu bleiben und keinesfalls nachlässig zu werden im Umgang mit dem Virus, insbesondere im Hinblick auf die anstehende Grippesaison ...