Der Überfluss an schlechten Nachrichten bei neu auftretenden Krisen - die Gefahren des "Doomscrolling" und der Umgang damit

#1 von Excubitor , 13.03.2022 00:02

Psychologie-Heute.de - "Schlechte Nachrichten ohne Ende - Bei neu auftretenden Krisen geraten wir
schnell in einen Strudel von negativen Neuigkeiten. Wie man mit Doomscrolling umgehen kann."


"08. MÄR 2022

[...] Als die Coronakrise plötzlich da war, gab es Nachrichten am Stück und überall. Das brachte eine Art des
Medienkonsums ans Licht, die sehr fordernd ist: Das sogenannte doomscrolling. Fast suchtartig checkt man
das Smartphone immer wieder nach neuen, noch schlechteren Nachrichten und fängt an, mit dem Schlimmsten
zu rechnen. Dies zeigt auch eine Studie, bei der rund 500 Erwachsene in Norwegen zu Beginn des dortigen
Lockdowns befragt wurden. Eine junge Frau berichtete: „Ich checke die Nachrichtenseite so viele Male am Tag.
Es ist das erste, was ich am Morgen mache und das letzte, bevor ich ins Bett gehe.“ In den ersten Tagen des
Lockdowns habe sie sich wirklich bedroht gefühlt, sagte sie.

Offenbar lässt das vermehrte Checken und Scrollen nach ungefähr 14 Tagen wieder nach – es gelang den
Teilnehmenden nach und nach, die Suche nach News immer wieder für eine Weile zu unterbrechen und Abstand
zu finden. [...]

Zurück ins Gleichgewicht

Diese intensive Suche nach Informationen ist nach Meinung von Psychologinnen und Psychologen eine normale
Reaktion auf heftige, plötzliche Krisenereignisse
wie jetzt der Krieg in der Ukraine. Wir versuchen
herauszufinden, ob wir selbst in Gefahr sind, wie wir uns möglicherweise schützen könnten, mit der
Herausforderung irgendwie zurechtzukommen, was und ob wir etwas tun können.
Anders als in vielen
Studien durften die Befragten der norwegischen Studie mit ihren eigenen Worten schildern, wie sie sich über die
Coronakrise informierten. Dabei berichteten sie, dass sie sich besonders in den allerersten Tagen von den überall
gegenwärtigen Nachrichten überwältigt fühlten und die Hiobsbotschaften auf allen Medienkanälen von den
Nachrichtenseiten der journalistischen Medien bis hin zu Social Media, Fernsehen und Podcasts ihnen zu schaffen
machten. Sie fanden die Informationen bedrohlich, emotional belastend, manches langweilig. Bei den meisten
stellte sich jedoch nach rund zwei Wochen eine Art Gleichgewicht ein: Sie konnten sich informieren, ohne sich
dauernd damit zu überfordern.

Nicht für jeden gut

Doch das gelingt nicht jeder oder jedem gleich gut, darauf gibt eine weitere Studie zum Phänomen doomscrolling
einen ersten Hinweis: Diejenigen der 64 untersuchten jungen Erwachsenen, die Symptome einer Depression oder
einer posttraumatischen Belastungsstörung zeigten, gaben an, dass das dauernde Checken von Nachrichten zu
Beginn des Lockdowns in den USA ihr Wohlbefinden deutlich verschlechterte. Die News zur damals neuen
Coronakrise führte bei ihnen dazu, dass die Symptome ihrer Belastungsstörung um so stärker anstiegen, je
schwerer die Missbrauchserfahrungen in der Kindheit gewesen waren. Das galt auch für depressive Symptome.
Diese Korrelationen wurden in dieser Studie jedoch nur für das Scrollen in Social Media, nicht für den Konsum von
negativen Neuigkeiten in Zeitungen, Fernsehen oder Radio gefunden.

Auch Befragungen in Frankreich oder den USA zeigen, dass doomscrolling nicht unbedingt guttut: Berichtet wurde,
dass Angst- und Stressgefühle zunehmen, wenn man eine halbe bis eine Stunde täglich mit dem Checken
von Nachrichten zubringt
. Offenbar wirkten sich Twitter-Posts oder YouTube-Videos tatsächlich negativ auf die
Stimmung von Teilnehmenden eines Onlineexperiments aus, wie eine weitere Studie zeigt. Vier Forscherinnen aus
Großbritannien hatten dafür insgesamt 300 Befragte nur zwei bis vier Minuten Twitter-Tweets oder Kurzvideos auf
YouTube zur Coronapandemie „ausgesetzt“, zudem gab es eine Kontrollgruppe, die keine Informationen sah.
Ergebnis: Schon die wenigen Minuten reichten aus, die Stimmung zu verschlechtern. Dies lege die Vermutung nahe,
dass es auch einen kausalen Effekt der schlechten Nachrichten gebe, es also diese selbst waren, die zum
Stimmungstief führten, nicht nur die Anfälligkeit und intensive Suche der Userinnen und User
.

Gefühl von Kontrolle

Diese Art der Suche nach Informationen ist also ein zweischneidiges Schwert. Sie kann, etwa vor Prüfungen absolut
sinnvoll sein, sagen Psychologinnen und Psychologen. Man kann nützliche oder sogar unabdingbare Informationen
finden, die einem beispielsweise helfen, eine Prüfung vorzubereiten, beim Arzt die richtigen Fragen zu stellen,
oder sich im Falle einer Pandemie richtig zu verhalten. Das hilft, das Gefühl von Kontrolle zu zurückzugewinnen.
Aber negative Inhalte verschlechtern eben auch die Stimmung."

Siehe vollständig dazu die Quelle mit Literaturhinweisen unter:
https://www.psychologie-heute.de/leben/a...-ohne-ende.html


Kommentar

Leider hat man es in dem Artikel anscheinend vergessen eine konkrete Handlungsempfehlung zu geben, wie sie in der
Überschrift angekündigt wurde, was ich hiermit nachholen möchte:
Bleiben Sie im Fall einer auftretenden Krise wachsam und aufmerksam auch und insbesondere sich selbst gegenüber
und beschränken Sie den Suchvorgang nach neuen, aber in dem Fall schlechten Nachrichten in sozialen Medien ganz
bewusst von Anfang an auf das Nötigste, um nicht in den Sog des Negativen und dessen Folgen zu geraten.


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zuletzt bearbeitet 08.05.2022 | Top

Doomscrolling II und Tipps, wie man dem vorbeugen oder dagegen angehen kann

#2 von Excubitor , 27.05.2022 00:01

Spektrum.de - "DOOMSCROLLING: Süchtig nach schlechten Nachrichten"

"30.03.2022

In Krisenzeiten konsumieren viele exzessiv Schreckensnachrichten. Doch mehr Informationen bringen nicht immer mehr Sicherheit.
Oft hat Doomscrolling negative Folgen für die Psyche.

Manchmal gewinnt man den Eindruck, die Welt würde direkt im Smartphone explodieren. Mit diesen Worten beschreibt David Nuñez,
Leiter für Technologie am Museum des MIT, ein Phänomen, das in der letzten Zeit immer mehr an Relevanz gewonnen hat. Gemeint
ist das »Doomscrolling« – das scheinbar endlose Scrollen durch negative Nachrichten, die einen oft traurig oder wütend zurücklassen.
Ob Liveblogs zur Corona-Pandemie, Bilder von explodierenden Häusern in Kiew oder Berichte über einen möglichen Atomkrieg: Der
übermäßige Konsum solcher Inhalte setze Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol frei, schreibt Nuñez auf Twitter »Dein Gehirn
schreit ›Flieh oder kämpfe!‹ – wegen eines Haufens Pixel auf deinem Bildschirm.«

Studien zu Krisen zeigen: Schon zwei bis vier Minuten lang negative Nachrichten zu konsumieren, kann einen messbaren Effekt haben.
2021 ließ ein Team um Kathryn Buchanan von der University of Essex in Großbritannien hunderte Versuchspersonen für wenige Minuten
durch einen Twitterfeed mit Informationen zu Covid-19 scrollen
oder aber ein kurzes Youtube-Video zur Pandemie anschauen, in dem
beispielsweise Ärztinnen und Ärzte für mehr Schutzausrüstung demonstrierten. Beide Gruppen berichteten daraufhin von weniger
positiven Gefühlen als die Teilnehmer einer Kontrollgruppe, die sich keine Corona-Nachrichten angesehen hatten. Außerdem gab die
Mehrheit der Videozuschauer anschießend an, eine weniger optimistische Sicht auf die Welt zu haben.

Pam Ramsden von der University of Bradford und ihre Kollegen fanden 2015 sogar einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von
Katastrophennachrichten und Symptomen, die denen einer Posttraumatischen Belastungsstörung ähneln
. Die Forscherinnen und
Forscher befragten 189 Versuchspersonen dazu, wie häufig diese sich im Internet oder in sozialen Netzwerken Inhalte zu schlimmen
Ereignissen wie einem Amoklauf oder einem Terroranschlag ansahen. Zudem absolvierten die Teilnehmer einen Persönlichkeitstest und
füllten verschiedene klinische Trauma-Fragebogen aus. Dabei entdeckten Ramsden und ihr Team, dass sich mehr als ein Fünftel der
Probanden durch die Bilder und Berichte belastet fühlte. Auf einer Skala, die Psychologen für die Diagnose von Posttraumatischen
Belastungsstörungen nutzen, erzielten die betreffenden Personen teils hohe Punktzahlen, obwohl niemand von ihnen in der
Vergangenheit selbst ein traumatisches Ereignis erlebt hatte. Je häufiger sich die Probanden eigenen Abgaben zufolge
Katastrophennachrichten ansahen, desto stärker war der Effekt.

[...]

Fünf Tipps gegen Doomscrolling

- Schränken Sie Ihren Nachrichtenkonsum ein. Nehmen Sie sich zum Beispiel vor, sich nur morgens und abends über das
Weltgeschehen zu informieren.

- Üben Sie, optimistisch zu sein. Etwa durch soziale Aktivitäten, indem Sie anderen Menschen helfen oder
Dankbarkeitsübungen absolvieren.

- Nutzen Sie die richtigen Quellen. Informieren Sie sich lieber auf offiziellen Nachrichten- oder Regierungsseiten statt
auf sozialen Netzwerken. Auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. sind die Inhalte häufiger emotional aufgeladen,
zudem können Falschnachrichten im Umlauf sein.

- Verbringen Sie insgesamt weniger Zeit in den sozialen Netzwerken. Gehen Sie stattdessen raus, tanken Sie Licht,
treffen Sie Freunde.

- Suchen Sie gezielt nach positiven Informationen. Zum Beispiel, indem Sie einem Account folgen, der sich mit
konstruktiven Nachrichten beschäftigt.

[...]

Zuletzt kann es auch helfen, sich gezielt Positivem zum widmen. Auf der Website »Joyscroll« kann man sich zum Beispiel durch
eine 22,7 Meter lange Bilder- und Videostrecke scrollen, die die schönen Dinge des Lebens illustrieren soll. Mit Landschaftsbildern
aus Island, Tierfotos, Meeresrauschen und Gute-Laune-Musik."

Siehe sehr ausführlich dazu mit weiteren Nachweisen die Quelle:
https://www.spektrum.de/news/doomscrolli...m_content=heute


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