Quarantäne, Isolation, "Abklingzeit"

#1 von Excubitor , 04.09.2020 18:05

Ist eine Verkürzung der Quarantäne/ Isolation auf 5 Tage vertretbar?

WELT - „Gesellschaftliche Akzeptanz für Quarantäne wäre deutlich höher“

"Karl Lauterbach weiß, dass seine aktuelle Corona-Forderung erklärungsbedürftig ist. Denn sie weicht deutlich ab von den aktuellen Maßnahmen. Bislang gehen die Menschen in Deutschland 14 Tage lang in Quarantäne, wenn sie den Verdacht haben, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben. Der SPD-Gesundheitspolitiker plädiert nun für eine deutlich kürzere Zeitspanne.

„Ich halte es für sehr sinnvoll, die Quarantänezeit auf fünf Tage zu begrenzen“, sagt er im Gespräch mit WELT. Der Bevölkerung den Politikwechsel zu erklären, sei zwar mit einem erhöhten Aufwand verbunden. „Aber wenn die wissenschaftliche Erkenntnis eine Änderung der Maßnahmen sinnvoll erscheinen lässt, muss man sie machen.“

Die wissenschaftliche Erkenntnis, auf die Lauterbach sich bezieht, ist recht still über den Sommer gereift. Schon Anfang August hatte der Charité-Chefvirologe Christian Drosten in einem Beitrag für die „Zeit“ eine Verkürzung der Quarantänezeit ins Spiel gebracht. „Schaut man sich neuere Daten zur Ausscheidung des Virus an, reicht eine Isolierung der Clustermitglieder von fünf Tagen“, schrieb er damals.

Cluster-Situationen entstehen, wenn Menschen auf engem Raum zusammen sind. Dies kann zum Beispiel in Schulen der Fall sein. Wenn sich hier eine Person mit dem Virus infiziert, müssen alle anderen Cluster-Mitglieder in Quarantäne. Schon mehrmals wurden deswegen ganze Schulen für zwei Wochen geschlossen.

Anfang September erneuerte Drosten seine Vorschläge. Menschen mit Verdacht auf eine Infektion sollten sich nur noch fünf statt 14 Tage isolieren müssen, sagte er in seinem Podcast für den NDR. Inzwischen hat die Debatte auch im politischen Berlin an Fahrt aufgenommen; mehrere Bundestagsfraktionen sprechen sich für eine Änderung der Quarantäneregelungen aus. Noch prüft das zuständige Bundesgesundheitsministerium den Sachverhalt. Doch eine Änderung der Maßnahmen wird immer wahrscheinlicher.

Sozialdemokrat Lauterbach bezieht sich vor allem auf das Ansteckungsrisiko, das einige Tage nach dem Ausbruch der Symptome geringer scheint als ursprünglich gedacht. „Wir wissen, dass die allermeisten Menschen fünf Tage nach Beginn der Symptome nicht mehr ansteckend sind, auch wenn der PCR-Test noch ein positives Ergebnis ausweist.“ Mit dem gängigen PCR-Test wird die sogenannte Viruslast bei Erkrankten gemessen.

Ähnlich hatte auch Drosten argumentiert. „Die infektiöse Zeit beginnt zwei Tage vor Symptombeginn und endet, realistisch betrachtet, vier, fünf Tage nach Symptombeginn“, sagte er. Zwar ist ein Restrisiko nicht ausgeschlossen. Drosten selbst sagt, er gehe mit seinem Vorschlag „an die Schmerzgrenze der Epidemiologie“.

Seine Überlegung sei aber, was man machen könne, um einen „De-facto-Lockdown“ zu verhindern. „Es nützt nichts, wenn man alle möglichen Schulklassen, alle möglichen Arbeitsstätten unter wochenlanger Quarantäne hat. Es muss kurz sein.“ Am Ende der fünftägigen Periode solle getestet werden.

[...]

Ausführlich dazu siehe die Quelle:[/b]
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/co...G5Yp?li=BBqg6Q9


Kommentar
Ich halte die These, eine kurze Quarantäne von fünf Tagen sei allgemein ausreichend für einen gefährlichen Trugschluss. Offensichtlich geht man hier nur von der Infektiosität nach Auftreten von Symptomen aus, die dann nach letzten wissenschaftlichen Erkenntnissen langsam abnimmt. So gesehen würden 5 Tage vielleicht reichen. Doch was ist mit der Infektiosität vor Auftreten der ersten Symptome?
Die anscheinend immer noch vorhandene Annahme der Herren Drosten und Lauterbach, die Infektiosität beginne 2 Tage vor dem Auftreten erster Symptome ist mittlerweile wissenschaftlich korrigiert worden. Dabei handelte es sich um einen Fehler in einer Studie aus Hong Kong. (Siehe dazu den Link unten.) Infizierte sind nach belegten wissenschaftlichen Erkenntnissen bereits bis zu 6 Tage vor diesen ersten Anzeichen infektiös. Dabei nimmt die Infektiosität sogar bis etwa zum Tag des Auftretens der ersten Symptome zu, an dem sie den höchsten Wert erreichen soll, bevor sie dann langsam abnimmt. Nach meiner Rechnung bedeutet das insgesamt einen Zeitraum von 11 Tagen bedenklicher Infektiosität und nicht lediglich 5. Hier begibt man sich auf sehr dünnes Eis ...
Der Vorschlag einer kürzeren Quarantäne kann also nur nur für Leute gelten, bei denen man bereits Symptome festgestellt hat, nicht für alle, die positiv getestet werden. Letztlich hängt alles davon ab, wie weit die Infektion im Einzelnen bereits gediehen ist, bzw. wie lange deren Ursprung zurückliegt.
Ich halte eine allgemein so kurze Quarantänezeit von 5 Tagen aus nachfolgend belegten Gründen des Gesundheitsschutzes nicht für vertretbar.

Siehe dazu ausführlich, inklusive der wissenschaftlichen Belege:

Ansteckungsrisiken bei SARS-CoV-2


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Zur Vertretbarkeit einer Verkürzung von Quarantäne und/oder Isolation

#2 von Excubitor , 04.09.2020 18:07

"Klarstellung" durch Herrn Drosten

Tagesspiegel - "Drosten äußert sich zur Quarantänezeit: „Habe keine Verkürzung auf fünf Tage vorgeschlagen“"

"[...]

Isolierung, Quarantäne oder Abklingzeit: Virologe Christian Drosten sieht seine Aussagen missverstanden – löst aber eine breite Debatte aus.

Äußerungen des Chefvirologen der Berliner Charitè, Christian Drosten, zur Quarantänezeit bei Coronavirus-Verdachtsfällen haben Verwirrung ausgelöst und die Debatte über eine Verringerung der Dauer befeuert. Drosten stellte nun am Freitag klar, dass er nicht vorgeschlagen habe, die Zeit von 14 auf fünf Tage zu verkürzen. „Isolierung und Quarantäne geraten durcheinander“, schrieb er auf Twitter. Sein Vorschlag sei eine Reduktion der Isolierungszeit bei sogenannten Clustern von Infizierten auf zum Beispiel fünf Tage.

In Quarantäne müssen sich Menschen begeben, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten. Eine Isolierung gilt für Infizierte. Die Isolationszeit beträgt derzeit zehn Tage, die Quarantäne 14 Tage.

Drosten hatte sich Anfang August in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“ mit der Bedeutung von Clustern befasst, also Häufungen von Coronavirus-Infektionen. Dabei schrieb er unter anderem: „Schaut man sich neuere Daten zur Ausscheidung des Virus an, reicht eine Isolierung der Clustermitglieder von fünf Tagen.“ Er würde diese „Mischung aus Quarantäne und Isolierung 'Abklingzeit' nennen, um die Begrifflichkeiten nicht zu verwässern“. Am Ende dieser fünf Tage könnten die Mitglieder des Clusters getestet werden.

Auch in seinem NDR-Podcast am Dienstag hatte Drosten Bezug auf den Artikel genommen. Bei Twitter schrieb er nun: „Dort und im Podcast weise ich darauf hin, dass es um einen Notfallmodus geht, nicht um eine Änderung der jetzigen Strategie.“

Im Podcast hatte er dem Skript zufolge von fünf Tagen „Quarantäne“ gesprochen, was von vielen als eine Forderung nach einer Reduzierung der Quarantäne auch von Kontaktpersonen verstanden wurde: „Und hier kommen wir zu einer interessanten Kompromissüberlegung. Wenn wir jetzt doch wissen, es ist schmerzhaft für einen Arbeitgeber, für den Landrat, (...) für einen Lokalpolitiker, dass dieses Quellcluster unter Quarantäne gesetzt wird. Da wird versucht, mit dem Amtsarzt zu verhandeln. Da ist es doch gut, wenn der Amtsarzt jetzt etwas entgegnen kann, was neu ist und was einen Ausweg bietet, nämlich wenn der Amtsarzt sagen kann: „Lieber Herr Landrat, wir machen aber nur fünf Tage. Wir machen nicht 14 Tage, nur fünf Tage. Wir machen eine kurze Quarantäne. Und in diesen fünf Tagen ist außerdem auch das Wochenende drin. Das heißt, eigentlich sind es nur drei verlorene Arbeitstage.“

Daraufhin wird Drosten von seiner Interviewerin gefragt: „Das heißt, die Belastung für alle, für jeden Einzelnen und auch die wirtschaftliche Belastung wäre geringer. Trotzdem, von 14 Tagen auf fünf Tage runterschrauben, reicht das aus, um weitere Ansteckungen weitestgehend zu verhindern?“

Drosten antwortet: „Also in diesem Vorschlag, den ich da mache mit fünf Tagen, gehe ich bis an die Schmerzgrenze der Epidemiologie. Das ist schon, sagen wir mal, eine steile These, dass man sagt, nach fünf Tagen ist eigentlich die Infektiosität vorbei.“

[...]"

[/b]Ausführlich dazu siehe:
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/co...Ie6E?li=BBqg6Q9


Kommentar
Jetzt ist zwar deutlich geworden, wie es gemeint war, wirklich allgemein klarer wird es dadurch aber nicht. Denn, da 'Quarantäne' nun ein mal Isolation bedeutet, hätte man einen anderen Begriff wählen sollen, um die Isolationszeit davon besser sprachlich abzugrenzen. Weil für die Quarantäne auch der Begriff 'häusliche Isolation' verwendet wird, geht begrifflich weiterhin alles durcheinander.

Für mein Statement aus dem vorhergehenden Beitrag ändert sich dadurch nichts. Es bleibt dabei, dass potentiell Infizierte mindestens 9 oder sogar 10 Tage in Quarantäne geschickt werden müssen.
Die aktuell gültige Regelung von 14 Tagen Quarantäne für potentiell Infizierte und 10 Tagen Isolation für nachgewiesen Infizierte, geht damit grundsätzlich in Ordnung und könnte nur wenig nach unten korrigiert werden. Die einzige vertretbare Möglichkeit einer Korrektur bestünde nach derzeitigem Erkenntnisstand darin, das Ganze in mindestens 10 Tage Quarantäne für potentiell Infizierte und mindestens 5 Tage Isolation für nachgewiesen Infizierte mit anschließendem Test zu ändern.
Mitglieder eines Clusters sind nur potentiell Infizierte. Deshalb gehe ich da nicht ganz konform mit Herrn Drosten, es sei denn, für das jeweils in Frage stehende, konkrete Quellcluster ließen sich tatsächlich über Abwasser- oder andere Untersuchungen die von Herrn Drosten angesprochenen niedrigen Ausscheidungsraten an viralem Material nachweisen.


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Erläuterung der Begriffe Isolierung, Quarantäne, Abklingzeit, Cluster und Quellcluster

#3 von Excubitor , 06.09.2020 18:28

SZ.de - "Coronavirus: Quarantäne und Isolierung sind nicht das Gleiche"

"[...]

Eine Isolierung ordnen die Gesundheitsämter für jene Menschen an, die sicher mit Sars-CoV-2 infiziert sind. Damit soll verhindert werden, dass sie das Virus an andere weitergeben. Drosten schlägt nun vor, dass der Patient ab dem Zeitpunkt der Diagnose noch fünf Tage in Heimisolierung gehe. "Dann erfolgt eine Testung und bei niedriger Viruslast eine Aufhebung der Isolierung", schrieb er der Deutschen Presse-Agentur. Dies gelte natürlich nur bei milden Fällen mit geringem Risiko der Verschlechterung.

Unter Quarantäne hingegen stehen Menschen mit bloßem Verdacht auf eine Infektion - etwa, weil sie engen Kontakt zu einem Infizierten hatten. Damit soll vermieden werden, dass auch Menschen, die zwar keine Symptome spüren, aber dennoch schon infektiös sein könnten, das Virus weitergeben.

"Hier macht man 14 Tage Quarantäne und wartet auf die Entwicklung von Symptomen", sagt Drosten. Gegenwärtig diskutierten Expertinnen und Experten, diesen Zeitraum auf zehn Tage zu reduzieren. "Ich denke, das geht. Ich kann mir auch vorstellen, dass man sogar noch ein paar Tage weiter reduzieren kann, zum Beispiel auf sieben Tage", sagt Drosten. Andere Wissenschaftler befürworten diese Idee. "Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Quarantänezeit deutlich kürzer als 14 Tage sein darf und sollte. Wie lange genau hängt davon ab, wie viel Sicherheits- bzw. Gewissheits-Bedürfnis die Behörden haben", sagt Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Das gelte allerdings nur für asymptomatische Kontaktpersonen.

Der Begriff Cluster oder Quellcluster wiederum beschreibt eine definierte Gruppe, deren Mitglieder sich alle zur gleichen Zeit infiziert haben könnten, etwa während einer Hochzeitsfeier. Hier kommt der von Drosten etablierte Begriff der Abklingzeit ins Spiel - eine Art Mischung aus Isolierung und Quarantäne.

Er führe den Begriff ein, "weil in dieser Notfallsituation ein Quellcluster weitgehend unbestätigt isoliert wird und man einfach annimmt, dass die meisten Mitglieder infiziert sind", sagt Drosten. Als Kompromiss schlägt er vor, in diesem speziellen Fall dasselbe Vorgehen wie bei der Einzelisolierung anzuwenden: fünf Tage Isolierung, danach ein Test auf Restinfektiösität.

[...]"

Ausführlich dazu siehe die Quelle:
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/co...KXLz?li=BBqg6Q9


Anm.:
Aus Gründen der Genauigkeit sei erwähnt, dass ein 'Quellcluster', wie der Begriff schon nahelegt, die Ausgangsgruppe am Ort des Beginns eines Infektionsgeschehens bezeichnet.


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