FOCUS ONLINE Gesundheit - ""Wer braucht das Bett dringender? "Notärzte warnen in Brandbrief vor Triage: Diese Kriterien entscheiden, wer behandelt wird"
"Samstag, 20.11.2021, 20:57
Die vierte Welle schlägt mit voller Wucht zu. Zahlreiche Krankenhäuser und Intensivstationen in Deutschland sind schon an der Belastungsgrenze. Stehen wir kurz vor der Triage? Wir erklären, was dies bedeutet - und welche Konsequenzen das für uns alle hat.
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Der Abstand zum Höhepunkt der dritten Welle im Dezember 2020 als 5762 Corona-Patienten auf der Intensivstation lagen, schmilzt täglich dahin. Laut Divi stehen deutschlandweit nur noch 2374 Intensivbetten zur Verfügung. In 33 stark betroffenen Landkreisen, die zum großen Teil in Bayern liegen, sind jetzt schon keine Intensivbetten mehr frei, so dass Patienten in andere Landkreise oder gar Bundesländer verlegt werden müssen.
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Was bedeutet Triage?
Doch was bedeutet überhaupt eine Triage? Der Begriff kommt vom französischen Wort „trier“ und bedeutet „auswählen“, „sortieren“. Er beschreibt den Prozess, bei Notfallpatienten die Dringlichkeit der Behandlung einzuschätzen. Fachkräfte müssen innerhalb weniger Minuten anhand von Vitalzeichen, wie etwa Blutdruck und Temperatur sowie Aussagen und Symptomen des Patienten erkennen, wie wichtig eine sofortige Behandlung ist.
Weltweit gibt es heute vier gängige Triage-Systeme. In Deutschland verwenden Kliniken vor allem das Manchester Triage System (MTS) und den Emergency Severity Index (ESI). Im ersten Schritt identifizieren die Gesundheits- und Krankenpfleger im ESI die Personen mit hoher Behandlungsdringlichkeit. Sprich, bei wem besteht potenziell Lebensgefahr. Die restlichen Patienten ordnen die Notaufnahme-Pfleger in weitere vier Gruppen: Je nachdem, wie viele Untersuchungen notwendig sind, erhalten die Hilfesuchenden unterschiedliche Dringlichkeitsstufen. Danach entscheidet sich die Behandlungsreihenfolge.
Mediziner entscheiden im Ernstfall, wer behandelt wird und wer nicht
Das sind oft Entscheidungen über Leben und Tod und keineswegs einfach. Ein Triage-Gesetz existiert in Deutschland nicht. Doch Leitlinien sollen helfen. Im Bezug auf Corona gibt die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) medizinischem Fachpersonal dazu unter dem Namen „Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der Covid-19-Pandemie“ Empfehlungen an die Hand.
Denn inzwischen hat sich das Verständnis von Triage, sozusagen im Corona-Sprachgebrauch, etwas verändert. Es meint, dass Mediziner Entscheidungen treffen müssen, welche Patientinnen sie überhaupt oder auf Intensiv behandeln können.
Wer also bekommt eine lebensrettende Behandlung, wenn die Ressourcen nicht ausreichen? Entscheidendster Punkt dabei, ist die Aussicht auf Erfolg, also, ob jemand wieder gesund wird. Intensivmedizinisch nicht versorgt wird darum, wer lediglich geringe Überlebenschancen hat. „Die Priorisierungen erfolgen dabei ausdrücklich nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten, sondern mit der Zielsetzung, mit den (begrenzten) Ressourcen möglichst vielen Patienten eine Teilhabe an der medizinischen Versorgung unter Krisenbedingungen zu ermöglichen“, heißt es in der Leitlinie.
Diese Faktoren entscheiden mit:
- Schwere der aktuellen Erkrankung
- Patientenwille (z.B. Patientenverfügung)
- aktueller Allgemeinzustand (einschließlich Laborwerten, Gebrechlichkeit)
- mögliche lebensbedrohliche Begleiterkrankungen (z.B. weit fortgeschrittene Nieren- oder Krebserkrankungen, ausgeprägte Herzinsuffizienz)
Diese Faktoren entscheiden nicht mit:
- Art der Krankenversicherung
- Alter
- sozialer Status
- Behinderungen
-bestimmte Grunderkrankungen: Vorerkrankungen sind nur dann relevant, wenn sie die Überlebenswahrscheinlichkeit hinsichtlich der aktuellen Erkrankung beeinflussen.
Keine Bevorzugung von Covid-19-Patienten
Es bleibt immer eine moralisch brisante Entscheidung, bei der die Empfehlungen Medizinern helfen sollen. Darum gelte hier der Grundsatz: „Menschenleben dürfen nicht gegen Menschenleben abgewogen werden.“
Wichtig ist zudem für die Priorisierung: Es werden alle Intensivpatienten einer Klinik gleich betrachtet, „unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden (Allgemeinstation, Notaufnahme/Inter-mediate-Care Station oder Intensivstation)“. Die Priorisierung soll explizit nicht nur innerhalb der Gruppe der Covid-19-Erkrankten erfolgen."
Siehe vollständig dazu die Quelle:
https://www.focus.de/gesundheit/news/kra...d_24435786.html
Siehe zur Triage auch
SARS-COV-2/Covid-2019 - Aktuelle News (16)
SARS-COV-2/Covid-2019 - Aktuelle News (15)