FOCUS ONLINE Gesundheit - "Großer Überblick - Ansteckender und aggressiver: Was wir bisher über die Delta-Variante wissen"
"Montag, 28.06.2021, 13:12
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Was ist das Gefährliche an der Delta-Variante?
Kurz gesagt: Die wichtigsten der insgesamt 15 Mutationen machen das Virus ansteckender und die Immunantwort etwa durch die Impfung schwächer.
Besonders der Subtyp B.1.617.2 lässt die bisher vorherrschende Alpha-Variante fast harmlos aussehen. Die in Großbritannien entstandene B.1.1.7-Variante war zwar auch schon schlagkräftiger als der Wildtyp von Sars-CoV-2, den sie fast komplett verdrängte. Aber die Delta-Variante ist noch einmal 40 bis 60 Prozent ansteckender. Bis Ende August wird sie für 90 Prozent aller Corona-Infektionen in Europa verantwortlich sein, vermutet das Europäische Zentrum für Prävention und Krankheitskontrolle ECDC.
Die Delta-Variante trug in Indien wesentlich zum katastrophalen Infektionsgeschehen bei. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen stieg dort zwischenzeitlich auf über 400.000 an. Beinahe 400.000 Menschen verloren in Indien bisher ihr Leben durch Covid-19.
„Das Tückische bei dieser Variante ist, dass Infizierte sehr schnell eine sehr hohe Viruslast im Rachen haben und damit andere anstecken können, bevor sie überhaupt merken, dass sie sich infiziert haben“, urteilt Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery über die Delta-Variante.
Verraten die Symptome eine Infektion mit der Delta-Variante?
Bei einer Infektion mit der Delta-Variante dominieren andere Symptome als bei den bisherigen Corona-Typen: Kopfschmerzen, eine laufende Nase und eine raue Kehle, aber kein Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn oder starker Husten. Das geht aus einer britischen App zur Überwachung von Corona-Symptomen hervor, wie die BBC berichtete. Sie liefert die Daten für die Zoe-Covid-Symptoms-Studie am King’s College London.
Die Symptome sind also leicht mit einer banalen Erkältung zu verwechseln. Studienleiter Tim Spector empfiehlt daher besonders jungen Leuten eine Coronatest, sobald sie sich leicht verschnupft fühlen.
Wie konnte die Delta-Variante Großbritannien erobern? Und wird es bei uns genauso kommen?
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Dann zeigte sich, wie schnell Delta dominant wird: Im April traten erste Fälle im Vereinigten Königreich auf, Anfang Mai ging schon ein Viertel aller Infektionen darauf zurück, Anfang Juni war Alpha weitgehend verdrängt. Und: Die Sieben-Tage-Inzidenz war von rund 20 wieder auf 100 gestiegen, auch weil parallel zum Delta-Auftritt Lockerungen in Kraft traten. Die Delta-Variante macht dort bereits über 90 Prozent der Fälle aus. Der für den 21. Juni von Premier Johnson angestrebte „Freedom Day“ musste bereits um einen Monat verschoben. Dieser Tag sollte das Ende aller Corona-Restriktionen einläuten.
Die Zahl der Neuinfektionen steigt immer noch. Am 26. Juni meldeten die Behörden 18.270 neue Fälle - rund 2400 mehr als am Vortag und so viele wie seit dem 5. Februar nicht mehr. Da bereits mehr als 80 Prozent der Briten eine Erstimpfung erhalten haben und 60 Prozent voll geimpft sind, macht sich die Delta-Variante zumindest nicht bei den Sterbezahlen bemerkbar. Auch die Lage auf den Intensivstationen ist unter Kontrolle.
Virologe Christian Drosten meinte in seinem letzten „Coronavirus-Update“ bei NDR Info, dass Deutschland nicht dem Beispiel Englands folgen müsse, was die Entwicklung der Inzidenzen angeht. Dort hatte sich die Delta-Variante nach Lockerungen bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 25 ausgebreitet. „Man hatte nicht so weit runtergebremst, wie wir das jetzt in Deutschland schon gemacht haben“, begründet der Virologe die Hoffnung, dass neue Kontaktbegrenzungen überflüssig blieben.
Wie reagieren andere Länder auf die Delta-Variante?
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Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland?
[...] Die jüngste Angabe bezieht sich allerdings auf die Woche vom 7. bis 13. Juni, weshalb befürchtet wird, dass der Anteil inzwischen - rund zwei Wochen später - weit höher ist. Aktuell dürfte der Anteil eher bei 20 bis 25 Prozent liegen, wie aus Laborberichten hervorgeht.
Deutschland hat aber momentan einen Vorteil: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 5,7 (27.6.). Das Coronavirus muss sich gegen Geimpfte, Genesene – und gegen die Sommerhitze durchsetzen. Deutschland würde demnach von den derzeit niedrigen Inzidenzen profitieren, sagt Christian Drosten in seinem aktuellen NDR-Podcast. „Bei anhaltend niedrigen Inzidenzen könnte es sein, dass wir im Sommer in eine Ruhephase reinkommen, bei der es uns erst einmal relativ egal sein kann, ob die Delta-Variante da ist oder nicht“, so Drosten.
RKI-Präsident Lothar Wieler sagte am Freitag bei der Pressekonferenz: Die meisten Ansteckungen passierten gerade in privaten Haushalt. Daneben gebe es zurzeit wenige größere Ausbrüche. Durch vollständiges Impfen, behutsames Öffnen, Maske tragen in Innenräumen, Abstandhalten und Hygiene seien auch diejenigen besser geschützt, die noch nicht geimpft seien oder noch nicht geimpft werden könnten - darunter auch viele Kinder, ergänzte der RKI-Chef.
Macht die Delta-Variante mehr schwere Verläufe? Und wer ist gefährdet?
Was Delta von den Vorgängern unterscheidet, ist nicht nur die höhere Infektiosität. Die Variante führt vermutlich auch zu mehr schweren Verläufen von Covid-19. Auch Kinder und Jugendliche sind vermehrt betroffen, auf die sich das Virus stürzt, nachdem viele ältere „Opfer“ geimpft sind.
RKI-Chef Wieler sagte dazu auf der Pressekonferenz vom 25. Juni: Besonders stark grassiere Delta bei den 15- bis 34-Jährigen. Elf Prozent der Delta-Infizierten seien hospitalisiert worden, bei der Alpha-Variante seien es knapp fünf Prozent. „Momentan deuten unsere Meldezahlen darauf hin, dass die Hospitalisierungsrate doppelt so hoch ist“, sagte er.
Das zeigen auch Daten einer schottischen Studie, die Mitte Juni in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen ist: Infizierte mit der Delta-Variante hatten doppelt so häufig krankenhauspflichtige Verläufe wie Alpha-Infizierte. Darunter waren auch Geimpfte, die nicht genügend Antikörper und andere Abwehrzellen bilden konnten. Das waren meist körperlich geschwächte und alte Menschen.
Wie gut wirkt die Impfung gegen die Delta-Variante?
Problematisch ist die sogenannte Immune Escape. Das bedeutet, dass die nach der Impfung gebildeten Antikörper das Virus nicht mehr ganz neutralisieren können. Bei der Delta-Variante ist dies besonders nach der ersten Impfung der Fall. Wer nur einmal geimpft ist, kann sich also relativ leicht infizieren – und auch ansteckend sein.
Erst die komplette Impfung mit zwei Dosen erzeugt auch gegen die Delta-Variante eine 90-prozentige Immunisierung gegenüber Ungeimpften. Schwere Krankheitsverläufe verhindert das Vakzin von Biontech/Pfizer zu 96 Prozent, das von Astrazeneca zu 92 Prozent. Zur Wirksamkeit beim Einmal-Vakzin von Johnson & Johnson auf die Deltavariante liegen noch keine Daten vor. Vor einer Infektion schützt der Biontech-Impfstoff zu 79 Prozent, Astrazeneca zu 60 Prozent.
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Sollten Kinder wegen der Delta-Variante geimpft werden?
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Ist die vierte Welle noch zu verhindern?
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Aber im Herbst rechnen alle Experten damit, dass die Inzidenzen stark nach oben gehen. Karl Lauterbach sagte bei Maybrit Illner: „Es wird eine vierte Welle geben. Die Frage ist nur: Wie hart wird sie uns treffen.“ Der Gesundheitspolitiker prognostizierte auch: „Im Herbst gehe ich fest davon aus, dass auch in Deutschland Delta 80, 90 Prozent der neuen Fälle ausmachen wird.“
Aufgrund der Impfungen kann man vorhersagen, dass die Sterblichkeit durch Covid-19 nicht mehr so hoch ausfallen wird, wie noch im vergangenen Jahr. Doch man weiß nicht, was eine enorm infektiöse Mutation wie die Delta-Variante bei feucht-kalten Temperaturen anrichten kann. Der Variante wird eine starke Saisonalität zugesprochen.
In Indien gehen die Delta-Infektionen zurück, aber es lauert schon eine Variante „Delta plus". B1.617.2.1 sei besonders ansteckend und binde sich stärker an Lungenzellen. Der Wettlauf gegen Sars-CoV-2 mit all seinen Varianten ist noch nicht gewonnen, es ist noch nicht einmal das Ziel in Sicht."
Siehe ausführlich dazu die Quelle:
https://www.focus.de/gesundheit/news/gro...tter_GESUNDHEIT